Predigt für den 12. April - Ostersonntag von Pastorin Schwethelm

Osterpredigt

Ostern vom Spielfeldrand – eine Flanke auf 2. Timotheus 2, 8-13

 

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!

 

Es ist Ostern! Der Stein ist fortgewälzt und gibt den Blick in das leere Grab frei. „Er ist nicht hier!“, ruft der Engel.

Aber bin ich denn dort? Habe ich mich weinend zum Grab geschleppt, um ihn zu sehen – ein letztes Mal. Um ihn zu salben, eine letzte Geste der Liebe.

Bin ich denn hinausgeeilt aus der Stadt, weil ich meinen Ohren nicht traute und meine Augen prüfen lassen wollte. Ist er wirklich nicht dort?

Nein, dieses Jahr stehe ich mehr denn je am Spielfeldrand. Kein nächtliches Pilgern zur Osterkirche, kein Fest- und Familiengottesdienst, kein fröhliches, gemeinsames Singen. Kein Osterfrühstück im Anschluss.

Der Spielfeldrand. Ein Platz zum Zuschauen, was und ob was passiert. Dabei spüre ich dieses Jahr eine solch brennende Sehnsucht, mich zu bewegen. Ich will hingehen, schauen, selbst sehen und hören: „Er ist nicht hier! Fürchtet euch nicht!“

Warum eigentlich? Der Spielfeldrand ist eigentlich eine Komfortzone. Von hier aus habe ich nicht wirklich etwas zu befürchten. Ich muss keine Leistung bringen, werde nicht misstrauisch beäugt, ausgepfiffen oder bejubelt.

Und das Schauspiel, das ich sehe, kenne ich gut. Ich kenne das Entsetzen der Frauen, die Blindheit der Emmaus-Jünger, den Unglauben des Thomas. Ich weiß, die Frauen werden nicht bis zuletzt schweigen. Den Jüngern wird Brot zum Leben gebrochen und Thomas wird die Wunden betasten. Ende gut alles gut. Ostern – ein Heimspiel. Wovor also sollte ich mich fürchten?

Gut, Karfreitag herrscht Stille im Stadion. Und kurz davor haben wir Jesus auch noch ausgepfiffen. Das Spiel ist verloren.

Aber eben nur in der Hinrunde. In der Rückrunde gewinnt Gott haushoch. Ein Grund zu jubeln und zu singen. Halleluja!

 

2. Timotheus 2,8-13:

8 Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten, aus dem Geschlecht Davids, nach meinem Evangelium,

9 für welches ich leide bis dahin, dass ich gebunden bin wie ein Übeltäter; aber Gottes Wort ist nicht gebunden.

10 Darum dulde ich alles um der Auserwählten willen, auf dass auch sie die Seligkeit erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit.

11 Das ist gewisslich wahr:

Sind wir mit gestorben, so werden wir mit leben;

12 dulden wir, so werden wir mit herrschen; verleugnen wir, so wird er uns auch verleugnen;

13 sind wir untreu, so bleibt er treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.

 

Vom Spielfeldrand auspfeifen oder jubeln. Das geht nach Ostern nicht mehr. Für dich gelebt! Für dich gestorben! Für dich auferstanden!

Das ist keine Botschaft nur für schlechte Tage, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Wenn ich mich selbst nicht im Spiegel anschauen mag. Nicht nur Ermutigung, wenn ich mich selbst zerreiße.

Es ist eine Botschaft für mich am Spielfeldrand! Nicht mehr in der Masse untergehen. Nicht mehr hinter anderen verstecken. Nicht mehr nur singen, wenn die anderen singen…

Jesus ist auferstanden, damit ich mich nicht mehr verstecken muss und kann. Alle Steine sind fortgewälzt. Die Steine, die mir in den Weg gelegt werden und die, die ich anderen in den Weg lege – aus Wut, aus Neid, aus Angst.

Die Steine, die ich zu einer Mauer auftürme. Eine Mauer, die mich schützen soll vor Verletzungen und den Blicken. Hinter der ich mich verstecke, damit mich niemand sieht, wie ich mich sehen kann. Eine hohe Mauer aus Schuld, Angst und Missgunst. All das wird Ostern eingerissen und zur Seite gerollt. Komm aufs Feld! Spiel mit! Schau nicht mehr nur zu! FÜRCHTE DICH NICHT!

Was eigentlich, wenn ich das wahr werden ließe? Nein, ich meine nicht, wenn ich das glauben würde. Ich glaube an die Auferstehung!

Ich meine jetzt. Wenn ich es jetzt wahr werden ließe. Neues Leben!

Fürchte dich nicht!

 

Aber ich fürchte mich. Und ich entsetze mich. Karfreitag – Golgatha – das sind die Coronatoten. Das ist das Mittelmeer, die Flüchtlingslager, verhungernde Kinder…

Golgatha, das sind begrabene Träume und Hoffnungen. Zerbrochene Beziehungen, verlorene Perspektiven. Bedrohte Existenzen und zerstörte Leben.

 

Golgatha – das ist Stille. Und in der Stille Gottes Herzschlag für die Welt.

 

Was, wenn es jetzt in mir Ostern würde? Jetzt in der Stille. Keine Menschen um mich herum, die mit mir „Halleluja“ singen. Keine Kerzen, kein Morgenlicht, das durch die Kirchenfenster dringt. Aber, was, wenn Ostern in mir zu singen beginnt, wenn es mich ansteckt, wenn das Licht in mein Herz fällt?

Was, wenn Christus heute in mir auf(er)steht und die Nörgler, Ängstlichen, Missgünstler, Zweifler und Richter zur Seite schiebt. „Fürchte dich nicht! Ich bin hier, nicht dort!“

Wenn er meine Steine von Herz und Seele wälzt, mir das Brot bricht und seinen Wein zu trinken gibt?

Wenn er mich jetzt tatsächlich zum Leben befreite, weil ich nichts zu fürchten hätte? Nichts, nicht einmal mich?!

Dann könnte ich den Spielfeldrand verlassen, von dem ich so lange auf Ostern und die Welt geblickt habe. Dann stände ich auf, immer noch mit leeren Händen – Gott sei Dank! Leere Hände, die umarmen, zupacken, festhalten und segnen können. Ich stände auf, mit einem Herzen, das weder die Weite, noch die Sehnsucht fürchtet, weil es sich selbst gehalten und getragen weiß, in der Hoffnung auf und im Glauben an den, der gestorben und auferstanden ist für mich: Fürchte dich nicht! Er ist nicht hier! Er ist dir voraus! Zu denen, die noch hängen auf Golgatha! Und das ist noch immer kein Heimspiel. Zeit, den Spielfeldrand zu verlassen!

 

Amen

 

 

Zurück