Predigt für den 19. April von Pastorin Susanne Lehmann

 

Jesaja 40, 26-31

Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen?

Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.

Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«?

Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.

Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;

aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

 

I.

Dieser uralte Text beschreibt ganz gut wie es sich anfühlt, wenn es weitergeht, trotz allem.

Kraft zu bekommen, obwohl man so alt ist wie immer, den Schwung zu haben, den es braucht, sein Leben zu leben, die Vergangenheit zu würdigen und doch weitermachen zu können. Es ist Gott, dem diese Fähigkeit zugeschrieben wird, Gott kann es in den Menschen, auch in mir, bewirken.

Haben Sie sich auf die Karfreitags- und Osterzeit einlassen können oder mögen? Haben Sie aus dem Karfreitags- und Ostergeschehen in diesem Jahr Kraft gezogen? Oder war das eher schwieriger als sonst, so dass die vorhandene Kraft eher weniger wurde?

Ich konnte Ostern in diesem Jahr einmal von einer ganz privaten Seite aus betrachten und so bewusst privat begehen. Wirklich ungewöhnlich für mich als Pastorin und doch auch ein Experiment, dem ich mich mit Interesse gewidmet habe.

Es war traurig, den Spargel nicht in vertrauter Familienrunde zu essen, das Telefon ist nicht wirklich ein Ersatz; es war merkwürdig, keinen Gottesdienst zu halten oder zu besuchen, der es einem auch selber erleichtert, das Ostergeschehen nachzufühlen und nachzuerleben. Die Feiertage hatten dann ihre eigenen kleinen Freuden mit Spaziergängen und einem wunderbaren Oster-Sonnenaufgang - und eben ihre Einschränkungen, wo bleiben die Umarmungen, die Nähe, die Besuche, das gemeinsame Fest?

Und doch, auch in diesem Jahr ist bei mir so etwas wie eine Auferstehung fühlbar geworden. Etwas ist neu geworden. Denn was mir wichtig ist, das wurde klarer, deutlicher als vielleicht in anderen Jahren, in denen die immer gleichen Rituale schön sind, aber auch wenig hinterfragt.

Ausgerechnet in der Entbehrung wurde es deutlich, wie und welche Menschen mir wichtig sind, wie und wo ich sie brauche, vermisse, bedenke und beschenke. Das war ein wenig schmerzhaft und ist schön zu bemerken. Eine überraschende Erfahrung – etwas ersteht in mir auf und bringt Kraft.

 

II.

Wie ist es Ihnen ergangen? Wir sind doch alle ziemlich zurückgeworfen auf einen kleinen Kreis von Menschen, besonders aber dann, wenn man wenig mit den sozialen Medien zu tun hat.

Diese Zeit bleibt eine ungewöhnliche, entbehrungsreiche Zeit. Ich meine, wir können da viel Kraft gebrauchen, und es ist gut, wenn unsere Kraftquellen sprudeln oder doch immer wieder zum Sprudeln zu bringen sind. Oder dass sie doch wenigstens nicht versiegen…

„Gott gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. …die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“

Ja, diese Zeit macht einen auch müde, strengt an, stellt alle auf eine Probe, auf eine Langzeitprobe.  Es ist nun viel in unsere eigenen Hände gelegt, auch wie wir, jeder und jede einzelne, mit dieser Zeit und den eigenen, persönlichen Kraftquellen umgehen. Zwar kann die Gemeinde weiterhin Angebote machen, und die Gemeinden tun es ja auch, z. B. mit diesem Lese- bzw. Hörgottesdienst, mit Briefen und der Hoffnungsleine in Simeon, mit Ostergrüßen, die guttun, und doch bleiben wir viel mehr als sonst auf uns selbst beschränkt.

Es ist überraschend also auch eine Zeit, die ganz eigene Frömmigkeit wiederzuentdecken, wenn man mag; oder sie erstmals zu entdecken; oder auch, zu bemerken, das und das brauche ich wirklich nicht! Es wird sich in einem die Spreu vom Weizen trennen. Das wird Auswirkungen haben auch für spätere Zeiten.

Es ist eine Zeit, in der wir als Gemeinden, als Kirche andere Angebote machen als sonst. Plötzlich gibt es Verbindungswege, die wir uns vor kurzem nicht haben vorstellen können. Da ist eine Kraft, die wiederum neue Kraft gibt! Auch das wird Auswirkungen haben.

Es ist eine Zeit, in der wir aber als Verantwortliche in Gemeinde, in Kirche auch loslassen sollten, nicht nur, weil wir es gerade müssen, sondern auch, weil wir Ihnen gut lutherisch Ihre eigene Frömmigkeit durchaus zutrauen können. In lutherischer Tradition steht jeder und jede von uns vor Gott ohne Vermittlung durch andere, Pastorin oder Pastor, Gemeinde, wer auch immer: also nur zu, Gott ist da, will da sein für dich und für mich! Welche Kräfte dieses Auf-sich-selbst-geworfen-Sein und Nur-mit-Gott-allein-Sein wohl in einem weckt? In Ihnen vielleicht schon geweckt hat? In Ihrer Familie bewirkt? Auch hier wird wichtiges und unwichtiges voneinander getrennt werden. Und ich bin gespannt, später einmal von diesen persönlichen Geschichten und Erfahrungen zu hören.

 

III.

Das Geschehen an Karfreitag und Ostern bzw. das Geschenk der Auferstehung gibt es anscheinend auch oder vielleicht gerade durch manche Entbehrung hindurch, aber es ist dann eine Kraftquelle, die mir vor Augen führt, was wichtig ist. Wofür ich meine Kraft im Leben brauche und brauchen will.

Gott gebe uns die Kraft auch für den Corona-Marathon, der noch vor uns liegt. Es wird noch lange Einschränkungen geben, deshalb ist es so wichtig, dass es Kraftquellen gibt, die Langzeitwirkung haben. Gott kann hoffentlich auch Kraft geben, wenn es wirklich hart auf hart kommt. Es wird in jedem Fall ein Auf- und Ab sein, wir sind Menschen, keine Roboter, aber es ist gut, dass es diese Kraftquelle Gott gibt.

Gott hat schon viel Kraft gegeben, es einmal anders zu machen, erfinderisch zu werden, auch sich zu besinnen auf seine Kraftquellen, sie zu würdigen, zu entbehren, wer und was nicht da sein kann, zu hoffen, dass wir einmal wieder aus der Fülle schöpfen können.

Halleluja. Christ ist erstanden. Amen.

 

Gebet

Gott,
wir sind aufeinander angewiesen.
Wir brauchen Menschen, die uns liebhaben.
Guter Gott, so beten wir für unsere Familien,
unsere Verwandten, Freunde und Freundinnen.
 
Wir sind aufeinander angewiesen.
Wir brauchen Menschen, die weiter sehen können,
die tun, was Not tut, die sich einsetzen.
Guter Gott, so beten wir für sie.
 
Andere sind auf uns angewiesen.
Sie brauchen Menschen, die Rücksicht nehmen,
die sich zurücknehmen können, die etwas aushalten.
Guter Gott, wir beten für die, die in Not sind und für uns.
 
So viele geraten in schier ausweglose Situationen,
besonders in den ärmeren Ländern,
aber auch hier bei uns.
Sei bei den Menschen, wie du es in Jesus Christus zugesagt hast,
im Leiden, im Sterben, im Leben.
Guter Gott, wir beten für sie und für uns.
 
Guter Gott,
so bitten wir für alle um die tägliche Erneuerung der Kraft zum Leben.
 
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.

Amen.

 

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